Oscars: Wie Casting-Direktor:innen unseren Blick auf die Welt verändern und für mehr Diversität sorgen (2025)

Oscars mit Neuerung: Wie Casting-Direktor:innen arbeiten und unseren Blick auf die Welt prägen.

Mehrere Kinder toben durch einen Aufenthaltsraum. Teddy Teclebrhan versucht mit viel Geduld und Einfühlungsvermögen, Ruhe in die Gruppe zu bringen. Drei Personen beobachten, was dort vor sich geht. Teclebrhan, einer der bekanntesten Comedians Deutschlands, geht an diesem Tag seinem zweiten Beruf als Schauspieler nach. Bei der beschriebenen Szene, die sich vor ein paar Jahren abspielte, handelt es sich um eine Improvisation, eine frühe Probe, in der Teclebrhan zeigt, wie er in dem Film agieren könnte, für den hier gerade die richtigen Schauspieler:innen gesucht werden. Neben einem Kameramann und der Regisseurin Nora Fingscheidt ist die dritte beobachtende Person am Rand Liza Stutzky. Sie verantwortete damals das Casting für den Film “Systemsprenger”. Im Interview mit GQ erinnert sie sich. Stutzky war es, die Teclebrhan für die Rolle vorgeschlagen hatte, obwohl das Drehbuch nicht unbedingt eine Person of Color verlangt hätte. Teclebrhan bekam den Part. Als “Systemsprenger” 2019 in die Kinos kam, geriet der Film zu einem Überraschungserfolg. Mit Teclebrhan bildet er eine noch etwas diversere deutsche Gesellschaft ab, als er es ohne ihn getan hätte.

Ohne solche Anstöße bei der Besetzung wären die Kino- und die Serienlandschaft nicht nur weißer, sondern auch deutlich eindimensionaler. Denn auch im Jahr 2025 geht es immer noch um die Fragen, welche Gesellschaft das Kino abbilden will und wie ähnlich es der Realität ist, die wir zu verstehen versuchen. Die ARD-Serie “Schwarze Früchte” bewies zuletzt unter Showrunner und Hauptdarsteller Lamin Leroy Gibba, dass eine Schwarze, queere Geschichte ein riesiges Publikum fesseln kann. Es gibt diese Zuschauerschaft.

Casting entdeckt die Stars von morgen

Für Liza Stutzky war “Systemsprenger” der Durchbruch als Casting-Direktorin. Gemeinsam mit der Kindercasterin Jacqueline Rietz und der Regisseurin konnte sie für das Projekt auch Helena Zengel gewinnen. Zengel spielte in der Titelrolle das neunjährige Mädchen – ein Kind, das in keiner Pflegefamilie und keinem Heim den Halt findet, den es braucht. Stutzky kannte Zengel von einem Kurzfilmprojekt. “Ich fand sie einzigartig und perfekt für die Rolle”, sagt die 36-Jährige rückblickend. Zengels schauspielerische Leistung wurde gefeiert. Gleich nach dem Erfolg mit “Systemsprenger” ging es für die Kinderdarstellerin nach Hollywood, sie landete eine Hauptrolle an der Seite von Tom Hanks in dem Western “News of the World”. Als Nächstes wird die heute 16-Jährige an der Seite von “Stranger Things”-Superstar Finn Wolfhard in dem Kinofilm “Die Legende von Ochi” zu sehen sein.

Casting-Direktor:innen haben großen Einfluss auf die Karrieren von Schauspieler:innen – und sie sind viel beschäftigt. Wer in Deutschland gerade auf der Höhe der Zeit drehen will, landet schnell bei Stutzky. Sie stellte den internationalen Cast für die preisgekrönten “Die Zweiflers” über eine jüdische Familie in Frankfurt genauso zusammen wie für den Überraschungserfolg “Die Discounter”. Nur eine der unerwarteten Besetzungen dort ist die Rapperin Nura als Kassierin. Außerdem besorgte Stutzky für die Aufsehenerregende Verfilmung dreier Fälle des “Zeit Verbrechen”-Podcasts einen diversen Cast. Einen eindrucksvollen Auftritt hat darin der sonst als Rapper und Schriftsteller bekannte Hendrik Bolz. Auch solche Besetzungen reizen Stutzky.

Die Oscars 2026 schreiben Geschichte

In einer Zeit, in der die Filmbranche um mehr Diversität bemüht ist, während Teile des Publikums ihre tradierten Sehgewohnheiten nicht aufgeben mögen, gerät der Beruf der Casting-Direktion immer mehr in den Fokus. Kommendes Jahr wird die. Academy of Motion Picture Arts and Sciences zum ersten Mal einen Oscar in der Kategorie “Casting” verleihen. Die deutsche Filmakademie könnte bald nachziehen. Die Bafta Awards, die wichtigste britische Auszeichnung für Film und Fernsehen, führen die Kategorie “Casting” bereits seit 2020. Den ersten Award erhielt Shayna Markowitz für ihr Casting für “Joker”. Im Jahr 2023 war dort die deutsche Casting-Direktorin Simone Bär für “Im Westen nichts Neues” nominiert. Bär, die kurz vor der Verleihung der Baftas verstarb, galt als Deutschlands bekannteste Vertreterin ihres Fachs. Quentin Tarantino, Steven Spielberg und Wes Anderson engagierten sie, wenn sie Deutsche für ihre Filme suchten.

Wer darf wen spielen?

Neu ist, welche Diskussionen das Thema auslösen kann. Für seine Rolle als homosexueller, Aids-kranker Anwalt in “Philadelphia” erhielt Tom Hanks 1994 einen Oscar. Vor ein paar Jahren äußerte Hanks, man würde für seine Figur heute keinen straighten Schauspieler mehr casten, “und zwar zu Recht”. Auch sein Kollege Eddie Redmayne bezeichnete es nachträglich als Fehler, als heterosexueller Cis-Mann in “The Danish Girl” eine Transfrau gespielt zu haben. Für seine Darbietung hatte er 2016 eine Oscarnominierung erhalten. Lange ist das nicht her, und es würde ihm wohl kaum jemand seine schauspielerische Leistung absprechen. Doch hier geht es um Repräsentation. Die Branche ist dabei, sich neu zu sortieren.

Ein Archiv der Geschichte Hollywoods

Spricht man Bonnie Timmermann auf Eddie Redmaynes Aussagen an, sagt sie zunächst: “Oh, Eddie, ich habe gerade gestern SMS mit ihm geschrieben!” Die viel beschäftigte 77-Jährige sitzt beim Videocall in ihrer Wohnung im kanadischen Québec. Sie ist eine der renommiertesten Casting-Direktorinnen Hollywoods. Mit dem Film “Bonnie” aus dem Jahr 2022 gibt es sogar eine Doku über ihr Lebenswerk. Ob Kate Winslet, Keanu Reeves, Natalie Portman, Viggo Mortensen oder Matthew McConaughey: Bei ihr haben etliche der größten Hollywoodstars irgendwann einmal vorgesprochen. Timmermann besitzt ganze Lagerräume voller Videos von Menschen, die bei ihr vorsprachen – ein Archiv der jüngeren Geschichte Hollywoods. Sämtliche Fotos dieser Strecke stammen aus ihren Aufnahmen.

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